28.05.2018 – RA Bierschenk:
Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht verpflichtet, ihrem Arbeitgeber ihre private Mobilfunknummer mitzuteilen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Thüringen mit Urteil vom 16.05.2018 entschieden. Der Arbeitgeber könne auch auf anderem Weg sicherstellen, dass Beschäftigte im Notfall zu erreichen seien.
Der Fall: Der Leiter eines Gesundheitsamtes verlangte von den Mitarbeitern, in Zeiten des Bereitschaftsdienstes an Wochenenden und Feiertagen auf dem Diensthandy und zusätzlich über Ihre private Festnetz- und Mobilfunknummer erreichbar zu sein. Die Mehrzahl der Mitarbeiter gab daraufhin sowohl die dienstliche als auch die privaten Rufnummern an die Rettungsleitstelle weiter. Dies ging einigen Beschäftigten zu weit und sie verweigerten die Bekanntgabe der privaten Mobilfunknummer.
Der Landkreis erteilte ihnen daraufhin Abmahnungen. Die Arbeitnehmer wollten sich das nicht gefallen lassen und klagten gegen ihren Arbeitgeber auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte mit der Begründung, die Bekanntgabe der privaten Handynummer führe dazu, dass sie immer und überall für ihren Chef erreichbar seien. Das gehe zu weit. Das Arbeitsgericht Gera gab ihnen Recht. Der Arbeitgeber legte Berufung zum LAG Thüringen ein. Dieses bestätigte in einem soeben verkündeten Urteil vom 16. Mai 2018 die Entscheidung des Arbeitsgerichts und entschied, dass der Arbeitgeber nur unter besonderen Bedingungen und in engen Grenzen ein Recht auf Kenntnis der privaten Handynummer eines Arbeitnehmers habe. Die Pflicht zur Herausgabe der privaten Mobilfunknummer stelle einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, der durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt sein müsse. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn es keine andere Möglichkeit gebe, die Arbeitspflichten des Arbeitnehmers sinnvoll zu organisieren.
Die hier notwendige Abwägung der beiderseitigen Interessen müsse ergeben, dass der Eingriff angemessen sei. Eine generelle Pflicht zur Offenbarung der privaten Mobilfunknummer greife besonders tief in die persönliche Sphäre des Arbeitnehmers ein. Denn dieser könne sich dem Arbeitgeber aufgrund der möglichen, ständigen Erreichbarkeit ohne Rechtfertigungsdruck nicht mehr entziehen. Im Ergebnis sei es ihm deshalb nicht mehr möglich, zur Ruhe zu kommen. Auf die tatsächliche Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitnehmer kontaktiert und im Notfall herangezogen wird, komme es hingegen nicht an. Demgegenüber stünden dem Arbeitgeber neben der nun gewählten Maßnahme auch noch andere Möglichkeiten zur Absicherung gegen Notfälle zur Verfügung.
Das Gericht ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zu, da die grundlegende Rechtsfrage, dass der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch ein entgegenstehendes, überwiegendes berechtigtes Interesse gerechtfertigt sein müsse, bereits geklärt sei.
Aus diesem Urteil des LAG Thüringen folgt in jedem Fall: In Betrieben, in denen kein Bereit-schaftsdienst besteht, verstößt die Anweisung des Arbeitgebers, die private Handynummer mitzuteilen, um generell und außerhalb von Notfällen auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein, erst recht gegen das Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung. Der Arbeitnehmer darf die Bekanntgabe der Handynummer dann verweigern.