05.07.2018 – RA Bierschenk:
Müller ist seit 30 Jahren bei der Firma Meier & Sohn beschäftigt. Als er eingestellt wurde, war es in der Firma nicht üblich, schriftliche Arbeitsverträge zu schließen. Man besprach Lohn, Arbeitszeit und Urlaub, einigte sich und besiegelte das Ganze mit einem Handschlag. Im Mai wurde Müller 65 Jahre alt. Der Chef, Meier sen., richtete zu seinen Ehren eine kleine Feier aus, dankte Müller für seine Leistungen und seinen unermüdlichen Einsatz, überreichte ihm 1000 € in bar sowie die Arbeitspapiere. Für die 1000 € solle Müller sich ein anständiges Fahrrad kaufen, um seine viele Freizeit im Ruhestand sinnvoll zu gestalten. Müller entgegnete, er habe eigentlich weiter arbeiten wollen, denn er sei noch fit und mit seiner Rente komme er nicht sehr weit. Meier sen. schüttelte den Kopf und sagte, mit 65 sei nun einmal Schluss. Das sei immer so gewesen.
Müller will das nicht einsehen und geht zum Anwalt. Dieser rät zum Prozess vor dem Arbeitsgericht. In der Gerichtsverhandlung führt der Richter folgendes aus:
– Man kann einen Arbeitsvertrag befristet, also für eine bestimmte Dauer, oder unbefristet, also für unbestimmte Dauer, abschließend.
– Ein unbefristeter Arbeitsvertrag kann mündlich abgeschlossen werden. Ein befristeter Arbeitsvertrag muss schriftlich abgeschlossen werden muss. Wird er nur mündlich abgeschlossen, gilt er als unbefristeter Arbeitsvertrag. Müller hat also einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Auf die Zwischenfrage von Meier sen., was das mit dem vorliegenden Fall zu tun habe, antwortet der Richter folgendes: Ein Arbeitsvertrag, der die Bestimmung enthält, dass das Arbeitsverhältnis mit dem 65. Lebensjahr des Arbeitnehmers enden soll, ist – selbstverständlich – ebenfalls ein befristeter Arbeitsvertrag, denn er ist ja für eine bestimmte Dauer abgeschlossen. Wird er nur mündlich abgeschlossen, gilt die Befristung nicht und der Arbeitsvertrag läuft so lange weiter, bis er von einer Seite gekündigt oder einvernehmlich aufgehoben wird oder bis der Arbeitnehmer das Zeitliche segnet. Also, erklärte der Richter, müsse er der Klage von Müller stattgeben, da dieser bei der Firma Meier unbefristet beschäftigt sei. Müller kann also dort unbefristet weiter arbeiten.
Selbst wenn, so der Richter weiter, die beiden beim Beginn des Arbeitsverhältnisses einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen und darin ausdrücklich als Endzeitpunkt die Vollendung des 65. Lebensjahres vereinbart hätten, so wäre diese Bestimmung nur dann wörtlich zu nehmen, wenn Müller vor dem 1.1.1947 geboren oder vor dem 1.1.1964 geboren und bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die allgemeine Wartezeit erfüllt hätte. Der Grund hierfür liege in einer Änderung des Sozialgesetzbuches VI, mit der das Renteneintrittsalter angehoben wurde. Bei Müller lägen die entsprechenden Voraussetzungen jedoch nicht vor; er erhalte Regelaltersrente erst mit der Vollendung des 67. Lebensjahres.
Da in einem solchen Fall eine Versorgungslücke zwischen dem 65. Lebensjahr und dem Rentenbeginn auftrete, lege das Bundesarbeitsgericht eine entsprechende arbeitsvertragliche Bestimmung so aus, dass das Arbeitsverhältnis dann ende, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf die Regelaltersrente habe.
Will ein Arbeitgeber also verhindern, dass sein Mitarbeiter noch mit 93 Jahren bei ihm tätig ist, so empfiehlt es sich dringend, einen schriftlichen Arbeitsvertrag zu schließen und in ihm ausdrücklich als Befristungsgrund, also als Ende des Arbeitsverhältnisses, das Erreichen der Regelaltersrente zu vereinbaren.