05.09.2018 – RA Bierschenk:
Müller ist Eigentümer eines Motorrads, dass er nicht ganzjährig, sondern nur in der Zeit von März bis Ende Oktober zum Straßenverkehr zulässt. In dieser Zeit benutzt er das Motorrad auch für die Fahrt zur Arbeit, für Verwandtenbesuche und zum Einkaufen. Bei schlechtem Wetter fährt er mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein Auto hat er nicht. Am 5. September stieß ein PKW-Fahrer gegen das geparkte Motorrad, wodurch es erheblich beschädigt wurde. Am 13. Dezember ließ er das Motorrad reparieren. Sodann verlangte er von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 5. September bis zum 14. Oktober, also für 40 Tage i.H.v. 45 € pro Tag. Die Haftpflichtversicherung zahlte 25 € und wies den weiteren Anspruch zurück. Müller erhob Klage auf Zahlung von 1.800 € beim zuständigen Amtsgericht. Dieses wies die Klage ab. Dagegen legte Müller Berufung ein, die jedoch vom Landgericht zurückgewiesen wurde. Das Gericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, dass Müller auf den alltäglichen Gebrauch seines Motorrads nicht angewiesen sei, weil er in der Regel mit einer Jahreskarte die öffentlichen Verkehrsmittel und nur ausnahmsweise und unter bestimmten Bedingungen das Motorrad nutze, nämlich nur in der Zeit von März bis Ende Oktober und nur bei gutem Wetter. Es lasse sich also nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass Müller das Motorrad in dem genannten Zeitraum wirklich gebraucht hätte und dass er auf dessen ständige Verfügbarkeit für seine eigenwirtschaftliche Lebenshaltung angewiesen gewesen wäre.
Müller sieht das nicht ein und geht bis zum Bundesgerichtshof. Dieser hat in einer aktuellen Entscheidung das Urteil des Landgerichts aufgehoben und Folgendes ausgeführt: Nutzungsausfallersatz sei auf solche Sachen beschränkt, deren ständige Verfügbarkeit für die eigene Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung sei. Aus diesem Grunde habe der Bundesgerichtshof eine Entschädigungspflicht beim Ausfall eines Wohnmobils, eines Motorbootes, eines Wohnwagens oder eines privaten Schwimmbades auch bereits verneint. Hier stelle sich der zeitweise Verlust nicht als wirtschaftlicher Schaden dar, sondern als individuelle Genussschmälerung. Dies gelte auch bei Kraftfahrzeugen: Diene ein Fahrzeug reinen Freizeitzwecken, so bestehe auch hier kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Verfüge ein Geschädigter neben einem PKW über ein Motorrad und benutze er dieses nur in der Freizeit, so bestehe ebenfalls kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Die Gebrauchsmöglichkeit eines Motorrads jedoch, das als einziges Kraftfahrzeug zur Verfügung stehe, sei grundsätzlich als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass der vorübergehende Entzug einen Vermögensschaden darstellt.
Daran ändere sich auch nichts, wenn das Motorrad nur zeitweise im Jahr und auch nur bei geeignetem Wetter genutzt werde. Insoweit profitiere der Motorradfahrer von dem Vorteil unabhängiger Mobilität und dem Zeitgewinn ebenso wie ein PKW-Fahrer. Der Gesichtspunkt, dass Müller in dieser Zeit öffentliche Verkehrsmittel hätte benutzen können, spielt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes keine Rolle.
Es müsse jedoch – so der BGH – geprüft werden, ob Müller in dem fraglichen Zeitraum sein Motorrad habe nutzen können und wollen, ob also das Wetter in diesem Zeitraum durchgängig zur Nutzung des Motorrades geeignet gewesen sei oder nicht. Dies sei im Einzelnen vom Gericht festzustellen. Sollten die Witterungsverhältnisse also entsprechend gut gewesen sein, erhält Müller für den gesamten Zeitraum den Ersatz seines geltend gemachten Nutzungsausfallschadens. Ansonsten muss er sich für Regentage Abzüge gefallen lassen.